30
Jan
2009

The curious case of Benjamin Button - der Kinotipp des CineMans

Die Zeichen der Zeit

Was ist Zeit? Was ist Leben, was ist Tod? Was ist der Weg dorthin: das Altern? Biologisch betrachtet bedeutet Altern – also das körperliche Vergehen über die Zeit – die abnehmende Fähigkeit der Zellen sich zu teilen; absterbende Zellen können nicht mehr durch neue ersetzt werden. Dieser Prozess ist unaufhaltsam und noch weniger unumkehrbar. Am Ende eines Lebens wartet jenseits des zunehmenden Gebrechens der Tod, uns gütig aufzunehmen.
Was aber, wenn das (vermeintliche) Ende erst der Anfang wäre?
Der Reflux der Zeit, die Uhr, die zurückgeht anstatt vor. Von Zeitreisen wurde im Film und in der Literatur immer wieder berichtet, wohl seltener aber von Zeitreisen in die Vergangenheit, erfahren am eigenen Körper. Das ist die Prämisse dieses wundervollen Filmes.
Benjamin Button ist Gegenstand dieses Wunders, denn er kommt als greisenhaftes Baby zur Welt, um fortan immer jünger zu werden. Gespielt wird die Figur des Benjamin Button von Brad Pitt, der zunächst unter einer Maske des Alters versteckt ist und gegen Ende wieder so jung sein darf wie in „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ aus dem Jahre 1992.

Die Macht des Schicksals

Wie kommt es dazu, das sein Schicksal ist, jünger zu werden, während alles um ihn herum altert? Es wird eine mögliche Erklärung geliefert in Form einer Uhr, die gegenläufig arbeitet und in der Stadthalle New Orleans installiert. Zum ersten Einsatz kommt sie 1918, dem Jahr seiner Geburt. Aber eigentlich ist die Lösung des Rätsel des seltsamen Falles des Benjamin Button zweitrangig. Man muss es nicht wissen, um dem Film über seine episch ausgebreitete Geschichte von 166 Minuten willig zu folgen.
Wie es sich in einer filmischen Reflektion der Zeit gehört, beginnt der Film mit dem Rückblick einer Sterbenden auf ihr Leben, in dem die Hauptrolle jemand anderes spielt: Benjamin Button. Aus seinen Aufzeichnungen, die ihr die Tochter vorliest, erschließt sich sein wundersames Leben Stück für Stück: Kurz nach seiner Geburt ausgerechnet vor den Pforten einer Senioren-Pension ausgesetzt, wächst er umringt vom Alter auf, um nach und nach zu erkennen, dass er nicht einer unter Gleichen ist, auch wenn man das, seine äußere Erscheinung betrachtend, nur zu gerne vermuten möchte.
Man erwartet von ihm Erfahrenheit, doch diese muss er sich auf seiner Odyssee namens Leben erst erwerben. Teils in Freude, teils in Leid: Alles hat seine Zeit.

Eine Lebensgeschichte a priori ins Gesicht geschrieben

Neben einer leidenschaftlichen und unkonventionellen, wenn nicht offensichtlich bizarren Liebesgeschichte ist dieser Film von David Fincher eine Reflektion über das Alter(n), die Vergänglichkeit und die Verschwendung von Zeit für nichtige Dinge ausgebreitet auf eine Lebensspanne von knapp 80 Jahren. Der Film ist durch und durch lebensbejahend und mahnt zum Genuss der Zeit, die einem jeden von uns kraft des Schicksals gegeben ist. Die Gegebenheiten können wir nicht immer nach unserem Willen steuern; das Leben wird von Gelegenheiten bestimmt, selbst von denen, die wir verpassen, so heißt es sinngemäß im Film. Diese Spiegelungen über die Zeit kommen manchmal ein wenig zu aphoristisch her (sagt der um Zynismus bemühte Part in mir), doch das schmälert nicht das Vergnügen am Film. Anrührend und kurzweilig ist dieses Erzählkino – so wie Erzählkino sein soll. In dem die Schaueffekte (die beeindruckende Maske, wenige Action-Szenen) aufs Nötigste reduziert sind, um Gefühle der stillen und umso kraftvolleren Art zum Erblühen zu bringen. Beruhend auf einer Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald beweist David Fincher in seiner Inszenierung, warum Amerikanern nachgesagt wird, sie seien großartige Erzähler.
Dreimal hat er bereits mit Brad Pitt zusammengearbeitet (nach 7ven und Fight Club), doch niemals so erfolgreich wie in diesem Projekt; einen neuen Weg hat er beschritten, der vielleicht in eine großartige Oscar-Nacht für sie führen wird: 13 Oscar-Nominierungen sprechen für sich.

Mein Fazit: Form und Inhalt verbinden sich zu Perfektion – großartiges Erzählkino!

Zu sehen seit dem 29. Januar 2009 im Cine-Karree.

Viel Spaß wünscht euch Elmar Mertens

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