19
Sep
2008

Der Cineman empfiehlt

Tropic Thunder von Ben Stiller, ab 18.09.2008 im Cinekarree

Zu Beginn eines Filmes erfolgt für gewöhnlich die Exposition, in der die wichtigsten Charaktere eingeführt werden und wir einen ersten Eindruck ihrer Eigenarten bekommen. Dies ist eine Film-im-Film-Farce; warum soll man dieses Problem dann nicht in der Weise lösen, dass die drei Hauptdarsteller des geplanten Filmes in Form der Trailer zu ihrem jeweilig letzten Film vorgestellt werden. Durch diesen gelungenen Drehbuchclou erfahren wir also, dass Tugg Speedman (Ben Stiller) im ständigen Neuaufguss seiner größten Rolle als Action-Held „Scorcher“ nun in Scorcher VI zu sehen ist. Jeff Portnoy (Jack Black) hingegen ist abonniert auf infantile Furz-Filme, in deren letzter Version er sämtliche Rollen selbst spielt, die doch wieder alle nur das Gleiche tun. Nebenbei ist er ein drogensüchtiger Krawallmacher. Der dritte Hauptdarsteller ist ein schauspielerisches Schwergewicht, ein Method-to-the-Max-Actor, der sich bis zur Selbstaufgabe der jeweils nächsten Rolle verschreibt. Für seine kommende Anstellung schreckt der Australier Kirk Lazarus (Robert Downey Jr.) selbst vor einer riskanten Pigmentierungs-Operation nicht zurück, um überzeugend einen afro-amerikanischen Soldaten im Vietnameinsatz zu mimen. In seinem letzten wieder einmal Oscar-gekrönten Einsatz spielte er an der Seite des „realen“ Tobey Maguire einen Priester, der sich seiner Versuchung stellen muss. Diese drei Trailer zeigen in ihrer – nur leichten – Überzeichnung, wie Hollywood tickt: Einfallslosigkeit im Actionkino, Sinn (?) für derben Klamauk und rührselige Schmonzetten sind die vorrangigen Projekte, die die Verantwortlichen für ein Konsum-williges Publikum zurecht zimmern.
Nun werden diese drei so unterschiedlichen Filmstars in einem aufwendigen Projekt zusammengebracht, um den teuersten Kriegsilm aller Zeiten zu drehen. Doch das Spektakel droht an den „künstlerischen Differenzen“ zwischen den Hauptdarstellern sowie den Grabenkämpfen mit ihren inneren Dämonen (die Krisen, die wohl jeder Top-Schauspieler durchmachen muss) zu scheitern. Der Debüt-Regisseur Damien Cockburn (Steve Coogan) scheint überfordert. Da rät ihm Vietnam-Veteran und Buchvorlagenlieferant Four Leaf Tayback (herrlich verwildert: Nick Nolte), die verwöhnten Schauspieler auf ein Set in die Wildnis zu verfrachten, wo sie ihnen ein echtes Kriegsgebiet vor zu gaukeln gedenken. Sie ahnen allerdings nicht, dass sie sich in tatsächliches (Drogen-)Kriegsgebiet begeben haben. Als der Regisseur prompt auf eine Mine tritt und sich in Matsch und Gedärmen auflöst, halten die Schauspieler dies nur für einen tollen Effekt, allen voran Speedman. Was nun folgt ist eine irrsinnige Tour-de-Farce durch die Welt des Kriegsfilmes, in deren Folge das Team sich beweisen muss, dass es tatsächlich ein Team ist (die Message des Films?) - man achte so auf Verweise auf Rambo, Platoon, Apocalypse Now sowie Mission Impossible, um nur einige wenige Vorlagen zu nennen. Musikalisch gibt es dazu die üblichen Verdächtigen wie Steppenwolfs The Pusher, Sympathy for the devil von den Rolling Stones oder Buffalo Springfield mit For what it's worth. Auch im Nachgang muss ich in Erinnerung an die zahlreichen Zitate munter drauf los schmunzeln. Ein weiterer Genuss sind die schon erwähnten Cameos. Mal sehen, ob der Zuschauer sogleich den Mann hinter der Maske des sich höchst unflätiger Beschimpfungen bedienenden, cholerischen Produzenten Les Grossman erkennt.
Vordergründig eine Persiflage auf herkömmliche, tradierte (Anti-)Kriegsfilme, hebelt dieser Film genüsslich die typischen, vorherrschenden, den Erfolg erzwingenden Hollywood-Mechanismen aus, hält eulenspieglerisch dagegen und startet die eine um die andere Attacke auf den Sitz der Lachmuskulatur.
Also handelt es sich bei diesem subversiven Machwerk nicht nur um einen Genre-Spoof, sondern auch um einen General-Angriff auf das System des amerikanischen Filmbusiness – der Hang, sich ständig der eigene Fixstern zu sein (Sonderbehandlung auf dem Set, die Mode, sich Publicity-wirksam zu inszenieren durch den Erwerb von Patenkindern, das Gott gleiche Gehabe der Finanziers, Drogenkonsum als Kompensation, Realitätsflucht, der Trend, dass Rap-Stars auf die Leinwand drängen et cetera et cetera).
Und Ben Stiller beweist nach Reality bites (1994), The Cable Guy (1996) und Zoolander (2001), dass er durchaus den Regiestuhl besetzen darf. Einen Regisseur hat er ja bei Ricky Gervais' Extras auch schon gespielt. Vielleicht hat er sich von ihm auch den Kate Winslet in den Mund gelegten Tipp zum sicheren Erwerb eines Oscars entlehnt, den nun Lazarus Speedman an die Hand gibt. Kein runder Schluss für eine Filmbesprechung, aber schlichtweg Ausdruck meiner absoluten Begeisterung.

Also, rein in den Film und Ablachen!

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