4
Apr
2008

Der Duft der Magdalenen - Proust revisited

Man kann auch mit pflanzlichen Fett dick werden. Getreu diesem Motto hatte ich den gestrigen Tag der Suche nach typisch spanischem Gebäck gewidmet - und bin auch (p)fündig geworden.
Eine Angewohnheit von mir, die meiner Zugehörigkeit zu den Pfadfindern geschuldet zu sein scheint (und somit per se keine schlechte sein darf), ist, dass ich mich gerne aus meiner Intuition heraus in fremden Orten orientiere - und so manch weiteren Weg gehe, als zunächst angedacht. Das gibt dem Begriff des Müßigganges eine neue Facette.
Was mich allerdings wieder auf den eigentlichen Gedanken bringt: Befindet man sich in einer neuen Stadt, so ist der beste Zugang zum Detail - also quasi der induktive Zugang - der über das Zu-Fuß-Gehen. Der nächst bessere über das er-Fahrrad-fahren. Das also meine Mission für den gestrigen Tag. Am Placa Catalunya gibt es einen von vielen Info-Points, an denen man sich über die Stadt schlau machen kann. Hier also wollte ich in Erfahrung bringen, wo ich am besten ein Fahrrad mieten kann. Gleich nach der Sendung machte ich mich per pedes zu diesem Ziel auf. Wohnen tue ich in der Nähe der Station St. Martí. Mit der Bahn vom Placa Catalunya aus ca. 20 Minuten. Also sollte ich in umgekehrter Richtung in ca. 1,5 Stunden wieder dort sein.
Dann war da aber noch meine andere Aufgabe, die Recherche fürs Radio. Außerdem bin ich leicht abzulenken. Also machte ich einen leichten Schlenker Richtung La Sagrada Familia und letztlich einen zeitlich weiten Bogen um die Placa Catalunya. Lieber machte ich demnach Bekanntschaft mit einem typisch spanischen Phänomen, mit dem ich persönlich sehr schnell darcord (oder so ähnlich) gegangen bin: Siesta - welch schöne Idee verbirgt sich hinter diesem schlichten Klang! Im Parc de la Ciutadella folgte ich dem Herdenruf und ermattete schnell unter den Strahlen einer barmherzigen Sonne. Ich dankte es ihr mit diesem kleinen Poem:

"Also jetzt mal ehrlich:
Müßiggang ist nicht beschwerlich.
Zumindest kenn' ich keinen einen,
der Schmerzen hätt' in seinen Beinen
ob dieser Fortbewegung.

Denn wer hat schon was gegen's Genießen,
das Beobachten des Frühlings Sprießen
oder auch gegen's Laben
an in der Sonne erstrahlend Farben?
Keiner ist gegen diese Form der Erregung."

Und da war doch noch was: Ah, neue Kulinaritäten!
Also fange ich bei den Magdalenen an, deren Geruch mich nicht direkt an Proust erinnern, zumal ich seine Suche nach der verlorenen Zeit noch nicht gelesen.
Aber schmecken tun sie. Geh, bäck, zu mir!
Nahe der Sagrada Familia, einem imposanten Bekenntnis zu Jesus und postgotischem Pomp,
gibt es eine kleine Bäckerei, die zum Probieren einlädt. Leider habe ich das falsche aus der großen Auswahl genommen. Denn die Montserratina d'Anis, die es in der Forn de Pa Montserrat gibt, konsumiert man am besten mit Tee oder Kaffee, deren beider ich nicht zu dieser Zeit habhaft war. Erinnert sachte an den deutschen Weck. Nur hat der kein sanftes Anis-Aroma. 1,70€ sind auch nicht zuviel verlangt. Für den deftigen Kontrast wählte ich eine Art größeres Pizzabrötchen mit würzigem Speck durchwirkt. Preis für dieses Hefebackwerk: knappe 80 Cent. Kann man nichts gegen sagen. Dafür gibt es auch die komplette Adresse: Forn de Pa Montserrat Especialitats Artesanes. Pa de Pagès, Integral; Anglès C/. Marian, 226; 08013 Barcelona.
Und dann war da noch die Canyas de Crema - ein Name mit Programm: Sie offenbart sich als eine Blätterteigrolle, die gefüllt ist mit Buttercreme - Kalorie, ick hör dir trapsen! Preis um die 1,40€ - ich gebe hier zumeist nur Ungefähr-Preise an, wenn ich kein Preisschild gesehen habe und nur mit einem Schein bezahlt habe. Sorry für diese Ungenauigkeit! Die Adresse hierfür herauszugeben ist es wert: La Granja-Cremerie, Ronda Sant Pere, 28-30.
Letzte Station war eine Baguetterie: Ich dachte, ich leiste mir einen faux-pas, wenn ich mir ein mit Chorizo belegtes Baguette genehmige, bis ich eben im Wikipedia lesen konnte, dass Chorizo nicht ausschließlich aus Portugal stammen, sondern dass diese mit Paprika gewürzte Salami auch in Spanien beheimatet ist. Der Verkäufer sah mir wohl meinen extranationalen Status an, was wohl mehr an meinem verwirrten Gesichtsausdruck lag als an meiner knall-gelben Schwedenjacke. Jedenfalls nahm er mir meine Entscheidungslosigkeit ab, indem er mir auf englisch die verschiedenen Baguette-Belegungen anpries. Nun war das Chorizo-Baguette nicht unlecker, doch beherrschte Geschäftigkeit den Laden und den Preis von 4,50€, so dass mir der Charme-Faktor abging und ich nicht gewillt war, diese Adresse weiterzugeben. Denn solche Läden gibt es hier zuhauf.
Und ich habe mir auf die Fahne geschrieben, dass der MensaMan Mertens Kulinaritäten auftut, wo kein anderer Konsument dran denken tät (und wollt).

In diesem Sinne

!buen provecho!

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