Im Kino ist kühler
Die Filmvorstellung trotz keines Morgens danach: 39,90 – täglich im Apollo III
„Werbung ändert nicht die Welt – sie trägt dazu bei.“
Das Vorspiel
Ok, ich räume mir den Missstand ein: Ich habe es nicht so mit französischen Filmen. Warum? Ich verstehe die französische Sprache nicht und somit auch nicht der Franzosen Kultur. Ich scheue wie jeder normale Mensch das Fremde. Und warum soll ich es dann bei US-amerikanischen Filmen besser antreffen? Ist mir deren Kultur näher, nur weil ich glaube, die englische Sprache besser zu verstehen? Und aus welchem Grunde fühle ich mich dann nicht dem deutschen Kino zugeneigt? – Ich lasse diese erdschweren Gedanken im luftleeren Raum stehen und bringe es auf die schlichte Formel: Selber Schuld. Denn was mag ich mit dieser Denke nicht schon alles verpasst haben? Umso erstaunlicher, dass ich nun also in einen französischen Film gegangen bin, von dem ich nichts weiter wusste, dass er eine Satire über irgendetwas Konsumorientiertes, Hippes ist, und der mir zudem von meiner Ex-Freundin empfohlen wurde. Genug der Ichbezogenheit. Doch, halt! Ist dies nicht ein toller Übergang?...
Fade out…
…und Fade in zur Filmbesprechung:
Der Hauptfilm
Falsches, aber immer strahlend-weißes Lächeln (somit doppelt falsch), Drogen und werbetechnische Anglizismen – das ist die Welt des Werbetexters Octave Parango (Jean Dujardin). Hier kennt er sich aus, hier fühlt er sich wohl – augenscheinlich. Denn Schein ist alles in dieser Welt, die zu großen Teilen von der Agentur Ross & Wright durch ihre Kampagnen bestimmt wird, für die Octave das kreative Aushängeschild ist. Alles ist Fassade, jeder Makel (= Natürlichkeit) wird getilgt. – So ist das nun mal, so gehört sich das nun mal. Natürlichkeit lässt sich nur verkaufen, wenn sie in Photoshop nachbearbeitet wurde.
Octave weiß, wie diese Welt tickt, für die er verantwortlich ist; er dekliniert den Konsum durch, er macht aus einem Du, dessen Gunst es zu erkaufen gilt, ein Ich, das aus vermeintlich freien Stücken sich dem Konsum hingibt. Überhaupt das Ich: Immer wieder „Ich, ich, ich“. Die Werbewelt ist Insignie und Reflektion der Ichbezogenheit der 1. Welt. Im Abspann steht sinngemäß geschrieben: „Ca. 500.000.000.000 $ werden jährlich an Budget in die Werbung gesteckt. Studien der UNO haben ergeben, dass lediglich 10% dieser Summe ausreichten, den Hunger auf der Welt um die Hälfte zu reduzieren.“
Eine zynische Randnotiz in einer Satire, der gelingt, was sie sich vornimmt: Sie verstört. Im Spiel mit den Möglichkeiten ist sie mal bitterbös, dann wieder zuckersüß, um im Ende nachhaltig subversiv zu sein.
In der Handlung des Films ist Jan Kounens (Dobermann, Blueberry) Machwerk auch ein Liebesfilm und zeigt einmal mehr, dass Liebe kein Konstrukt, nicht designbar ist – und somit nicht korrumpierbar. Oder?
Nachdem Octave sich in Praktikantin Sophie (Vahina Giocante) verliebt und mit ihr eine leidenschaftliche Zeit verbracht hat, sich dann aber in typischer Männermanier vor der Verantwortung der sich anbahnenden Vaterschaft drückt und von ihr folgerichtig verlassen wird, hat er mit der Dekadenz der werbewirksamen Täuschung abgeschlossen. In einem finalen Akt der Selbstgerechtigkeit will Octave der Werbewelt den Spiegel vorhalten, indem er einen Werbespot für das große französische Unternehmen Madone sabotiert und ihnen zeigt, wie man Joghurt auch anders bewerben kann.
In seinen besten Momenten ist 39,90, eine Verfilmung des französischen Bestsellers 99 francs von Frédéric Beigbeder (einem ehemaligen hochdotierten Insider der Werbebranche), eine intelligente und irrsinnige Abrechnung mit dem Hochglanzwahn der Werbung. Filmisch zitiert er unter anderem Drogenhalluzinationen wie „Fear and Loathing Las Vegas“ von Terry Gilliam oder dem Stil in Teilen nach auch Tom Tykwers „Lola rennt“. Inhaltlich ist dies ein Schelmenstück, das auch Verweise auf „Barry Lyndon“ – zumindest musikalisch – nicht missen lässt.
„Ein schonungsloser Blick hinter die Kulissen der Werbewelt“ – Was wie eine abgedroschene Floskel klingt, stimmt. Selbst solch ein Spruch entbehrt nicht der Wahrheit, so lange sie nur gut inszeniert ist.
Nachspiel
Und was ziehe ich nun persönlich aus diesem Film, der ich mich nach wie vor vom Geschäft der Überredung, wie meinen Überzeugung faszinieren lasse?
Die Welt der Werbung ist eine wunderbare Projektionsfläche, die wie eine schillernde Seifenblase kurzlebiger Zerrspiegel ist, der zeigt – nicht, was man sehen will, sondern – was man sehen soll.
Die Endeinstellung: nicht schön genug, um nicht noch nachbearbeitet zu werden.
Und ewig lockt das Werben.
„Werbung ändert nicht die Welt – sie trägt dazu bei.“
Das Vorspiel
Ok, ich räume mir den Missstand ein: Ich habe es nicht so mit französischen Filmen. Warum? Ich verstehe die französische Sprache nicht und somit auch nicht der Franzosen Kultur. Ich scheue wie jeder normale Mensch das Fremde. Und warum soll ich es dann bei US-amerikanischen Filmen besser antreffen? Ist mir deren Kultur näher, nur weil ich glaube, die englische Sprache besser zu verstehen? Und aus welchem Grunde fühle ich mich dann nicht dem deutschen Kino zugeneigt? – Ich lasse diese erdschweren Gedanken im luftleeren Raum stehen und bringe es auf die schlichte Formel: Selber Schuld. Denn was mag ich mit dieser Denke nicht schon alles verpasst haben? Umso erstaunlicher, dass ich nun also in einen französischen Film gegangen bin, von dem ich nichts weiter wusste, dass er eine Satire über irgendetwas Konsumorientiertes, Hippes ist, und der mir zudem von meiner Ex-Freundin empfohlen wurde. Genug der Ichbezogenheit. Doch, halt! Ist dies nicht ein toller Übergang?...
Fade out…
…und Fade in zur Filmbesprechung:
Der Hauptfilm
Falsches, aber immer strahlend-weißes Lächeln (somit doppelt falsch), Drogen und werbetechnische Anglizismen – das ist die Welt des Werbetexters Octave Parango (Jean Dujardin). Hier kennt er sich aus, hier fühlt er sich wohl – augenscheinlich. Denn Schein ist alles in dieser Welt, die zu großen Teilen von der Agentur Ross & Wright durch ihre Kampagnen bestimmt wird, für die Octave das kreative Aushängeschild ist. Alles ist Fassade, jeder Makel (= Natürlichkeit) wird getilgt. – So ist das nun mal, so gehört sich das nun mal. Natürlichkeit lässt sich nur verkaufen, wenn sie in Photoshop nachbearbeitet wurde.
Octave weiß, wie diese Welt tickt, für die er verantwortlich ist; er dekliniert den Konsum durch, er macht aus einem Du, dessen Gunst es zu erkaufen gilt, ein Ich, das aus vermeintlich freien Stücken sich dem Konsum hingibt. Überhaupt das Ich: Immer wieder „Ich, ich, ich“. Die Werbewelt ist Insignie und Reflektion der Ichbezogenheit der 1. Welt. Im Abspann steht sinngemäß geschrieben: „Ca. 500.000.000.000 $ werden jährlich an Budget in die Werbung gesteckt. Studien der UNO haben ergeben, dass lediglich 10% dieser Summe ausreichten, den Hunger auf der Welt um die Hälfte zu reduzieren.“
Eine zynische Randnotiz in einer Satire, der gelingt, was sie sich vornimmt: Sie verstört. Im Spiel mit den Möglichkeiten ist sie mal bitterbös, dann wieder zuckersüß, um im Ende nachhaltig subversiv zu sein.
In der Handlung des Films ist Jan Kounens (Dobermann, Blueberry) Machwerk auch ein Liebesfilm und zeigt einmal mehr, dass Liebe kein Konstrukt, nicht designbar ist – und somit nicht korrumpierbar. Oder?
Nachdem Octave sich in Praktikantin Sophie (Vahina Giocante) verliebt und mit ihr eine leidenschaftliche Zeit verbracht hat, sich dann aber in typischer Männermanier vor der Verantwortung der sich anbahnenden Vaterschaft drückt und von ihr folgerichtig verlassen wird, hat er mit der Dekadenz der werbewirksamen Täuschung abgeschlossen. In einem finalen Akt der Selbstgerechtigkeit will Octave der Werbewelt den Spiegel vorhalten, indem er einen Werbespot für das große französische Unternehmen Madone sabotiert und ihnen zeigt, wie man Joghurt auch anders bewerben kann.
In seinen besten Momenten ist 39,90, eine Verfilmung des französischen Bestsellers 99 francs von Frédéric Beigbeder (einem ehemaligen hochdotierten Insider der Werbebranche), eine intelligente und irrsinnige Abrechnung mit dem Hochglanzwahn der Werbung. Filmisch zitiert er unter anderem Drogenhalluzinationen wie „Fear and Loathing Las Vegas“ von Terry Gilliam oder dem Stil in Teilen nach auch Tom Tykwers „Lola rennt“. Inhaltlich ist dies ein Schelmenstück, das auch Verweise auf „Barry Lyndon“ – zumindest musikalisch – nicht missen lässt.
„Ein schonungsloser Blick hinter die Kulissen der Werbewelt“ – Was wie eine abgedroschene Floskel klingt, stimmt. Selbst solch ein Spruch entbehrt nicht der Wahrheit, so lange sie nur gut inszeniert ist.
Nachspiel
Und was ziehe ich nun persönlich aus diesem Film, der ich mich nach wie vor vom Geschäft der Überredung, wie meinen Überzeugung faszinieren lasse?
Die Welt der Werbung ist eine wunderbare Projektionsfläche, die wie eine schillernde Seifenblase kurzlebiger Zerrspiegel ist, der zeigt – nicht, was man sehen will, sondern – was man sehen soll.
Die Endeinstellung: nicht schön genug, um nicht noch nachbearbeitet zu werden.
Und ewig lockt das Werben.
radiot - 1. Aug, 12:12
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